„Du bekommst kein Geld dafür? Wieso machst Du es dann?“
Sie arbeiten, gehen in die Schule, studieren, haben Familie, einen herausfordernden Alltag – und setzen sich in ihrer Freizeit für das Wohl anderer ein. Über 180 000 Menschen sind im Bayerischen Roten Kreuz ehrenamtlich engagiert. Beim BRK Kreisverband Augsburg-Stadt gibt es rund 1 000 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jugendrotkreuz, den Bereitschaften, der Wasser- und Bergwacht und der Rettungshundestaffel.
Im Fußball- oder Eishockeystadion, beim Plärrer und bei zahlreichen anderen Events, in den Freibädern oder in den Bergen sorgen sie für unsere Sicherheit. Auch die Bewältigung der Corona-Pandemie wäre ohne Ehrenamtliche nicht möglich. Einer von ihnen ist Otto Schober. Der 49-Jährige ist im „normalen“ Leben in der Arbeitsvorbereitung eines Metallverarbeitungsbetriebs in Augsburg tätig. Das BRK Augsburg-Stadt unterstützt er bereits seit 1988. Als Fachsanitäter engagiert sich Otto Schober aktuell ehrenamtlich bei der Bereitschaft 2 Kriegshaber im Sanitätsdienst, ist Mitglied der Schnelleinsatzgruppen Behandlung, Transport sowie Information und Kommunikation und Fach-Gruppenleiter Blutspendedienst.
Herr Schober, woher haben Sie nur die Zeit für so viel ehrenamtliches Engagement?
Ich habe sie nicht, ich nehme sie mir. Beim Plärrer hat mich mal ein recht aggressiver Besucher ganz verblüfft gefragt: „Was, Du bekommst dafür kein Geld, wieso machst Du es dann?“ Ich kann nur sagen: Ich mach das aus Überzeugung und finde deshalb die Zeit. Außerdem habe ich einen sehr verständnisvollen Arbeitgeber und eine ebenso verständnisvolle Familie. Als die Kinder noch kleiner waren, war es manchmal schwierig, wenn ich abends oder am Wochenende mal wieder wegmusste. Aber sie sind damit aufgewachsen und heute mit 21 und 23 Jahren stolz auf mich, genauso wie meine Frau. Die hat eine Dauerkarte beim AEV. Wenn ich dort Sanitätsdienst im Stadion habe, kann man sich also trotzdem kurz sehen, zumindest war das so vor Corona.
Sie unterstützen als Mitglied der Sondereinsatzgruppe Transport in der Corona-Pandemie auch den Rettungsdienst…
Ja, damit es beim Rettungsdienst nicht zu Engpässen kommt und genug Kapazitäten für Infektionsfahrten frei bleiben, übernehmen wir Krankentransporte, also z.B. Krankenhaus-Verlegungen oder Fahrten zur Dialyse. Im März und April habe ich mit anderen Mitgliedern der Bereitschaften die Arbeit im Corona-Testzentrum in Haunstetten unterstützt. Der Wille zu helfen ist auch während der Pandemie bei uns Ehrenamtlichen ungebrochen.
Sicher hat man als ehrenamtlicher Fachsanitäter auch viele schlimme Erlebnisse. Können Sie das Engagement dennoch weiterempfehlen?
Natürlich erlebt man nicht nur Schönes. Manchmal beschäftigt mich, was aus den Menschen wird, die wir als Sanitäter erstversorgen und dann an den Rettungsdienst übergeben. Bei der Evakuierung im Rahmen der „Weihnachtsbombe“ 2016 hat es mich schockiert, wie viele Menschen keine Angehörigen, niemanden haben, der sich kümmert. Grundsätzlich habe ich auch das Gefühl, das die Wertschätzung für unsere Arbeit in der Bevölkerung schwindet. Das liegt sicher auch daran, dass viele immer noch nicht wissen, dass wir ehrenamtlich tätig sind. Aber es überwiegt bei weitem das Positive. Es gibt eine klasse Kameradschaft innerhalb der Ehrenamtlichen, viele tolle Menschen. Und man erlebt unvergessliche Sachen, die man als Privatperson gar nicht mitbekommen würde. Als 1989 die Grenze geöffnet wurde, war über ein Wochenende ein Übergangslager in der Sporthalle. Wir vom Jugendrotkreuz haben die Leute damals mitbetreut. Dann die Versorgung der Helfer und Anwohner beim Pfingsthochwasser 1999… Man bekommt so viel zurück. Wichtig ist, dass man für einen Ausgleich sorgt. Für mich ist das: Badmintonspielen und Spaziergänge in der Natur mit meiner Frau.
Was muss man denn können, um sich ehrenamtlich zu engagieren?
Man sollte anderen Menschen helfen wollen und bereit sein, dafür Zeit zu investieren. Alles andere bekommt man beigebracht, vom Erste-Hilfe-Kurs bis zur Fachausbildung. Wir haben auch ständig Fortbildungen, damit wir in den verschiedenen Bereichen jederzeit fit für den Ernstfall sind.
Info: Interesse am ehrenamtlichen Engagement? Beim BRK kann man sich für die unterschiedlichsten Aufgaben engagieren. Mitbringen sollte man Zeit und die Lust am Helfen. Wenn die Corona-Zeit vorbei ist, können Interessentinnen und Interessenten auch wieder in die unterschiedlichen Bereiche unverbindlich reinschnuppern. Mehr Infos unter Tel. 0821/32900-0 oder per E-Mail an info@kvaugsburg-stadt.brk.de.
Foto (oH): Unterstützung der Corona-Teststation in Haunstetten im April durch Ehrenamtliche des BRK Augsburg-Stadt: Patrick Fackler, Lisa Hirschler und Otto Schober (von links).
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Infokasten: Was ist eine Schnelleinsatzgruppe (SEG)?
Die SEG-Einheiten beim BRK kommen bei der Bewältigung von Unglücksfällen oder Katastrophen zum Einsatz, bei denen es viele Verletzte gibt bzw. diese befürchtet werden. Die SEG Behandlung unterstützt den Rettungsdienst, etwa mit der Logistik des medizinischen Materials und der Erstversorgung von Verletzten. Die SEG Betreuung evakuiert und versorgt Hilfsbedürftige mit Lebensnotwendigem, z.B. bei der Augsburger „Weihnachts-bombe“ 2016. Die SEG Verpflegung ist bei solchen Großeinsätzen für die schnelle Beschaffung von Essen und Getränken zuständig. Die SEG Transport bringt Verletzte und Kranke zur weiteren Behandlung in Krankenhäuser und andere Einrichtungen. Diese SEG von Nicht-Notfall-Patienten bedeutet in der Corona-Pandemie eine wichtige Entlastung des Rettungsdienstes. Wenn es um Koordination und Organisation, z.B. Erfassung von Helfern und Verletzten, Steuerung und Einweisung von Verletztentransporten, bei Großeinsätzen geht, ist die SEG Information und Kommunikation (IuK) gefragt. Die SEG Technik und Sicherheit sorgt für die notwendige technische Infra-struktur vor Ort und damit den sicheren, reibungslosen Ablauf der Einsätze.