"Keiner muss sich mehr schämen"
aus der Augsburger Allgemeinen vom 25.07.2009
20 Prozent ihres Gesamthaushaltes gibt die Stadt Augsburg zur Sicherung des sozialen Netzes aus. Und sie zählt zu einer der ärmsten Großstädte in Bayern. Gedanken darüber machten sich Sozialexperten, die Christian Ruck als Vorsitzender des Roten Kreuzes Augsburg zu einer Podiumsdiskussion in die Stadtbücherei eingeladen hatte.
Einig waren sich die Fachleute darin, dass Armut nicht nur mit geringem Einkommen zu tun hat. "Menschen, die in Armut leben", so Monika Welz vom Sozialdienst katholischer Frauen und Mitglied der Augsburger Armutskonferenz, "wird oft gesellschaftliche Teilhabe nicht mehr ermöglicht." Armut erstrecke sich auch auf die Bildung, die Gesundheit, die Wohnung.
"Um Armen zu helfen, muss man Arme verstehen können", sagte Walter Semsch, Geschäftsführer der Caritas. Über 10 000 Schuldner habe die Caritas 2008 beraten. Hier werde oft deutlich, "dass Menschen zu leben aufgehört haben". Wenn der Strom gesperrt werde, seien diese oft überfordert. Semsch: "Die gehen nicht zum Amt."
Dass "das Amt" einen Paradigmenwechsel vollzogen habe, betonte Wolfgang Leichs, Leiter des Amts für Soziale Leistungen. Es sei Vertrauen bei Hilfesuchenden gewachsen, allein dadurch, dass an neun Orten der Stadt durch Sozialpaten Beratung angeboten wird. Leichs: "Da muss sich keiner schämen, wenn er mit dem Sozialpaten zusammen endlich die Briefe aufmacht, die er sich nicht mehr zu öffnen getraut hat." Leichs wies auch auf weitere unbürokratische Hilfen der Stadt hin: das Projekt "Kinderchancen" und "Kleine Hilfe". Aus diesem Topf könne künftig insbesondere Alleinerziehenden oder älteren Alleinstehenden unbürokratisch geholfen werden.
"Wir werden zunehmend mit bitterer Armut konfrontiert", berichtete Susanne Donn, Geschäftsführerin der Kartei der Not, des Leserhilfswerks unserer Zeitung. Die Stiftung hilft Menschen in der Region, die unverschuldet in Not geraten sind. Arme Menschen seien vor allem dann getroffen, wenn Unvorhergesehenes passiert. Wenn etwa Herd und Kühlschrank gleichzeitig kaputt gehen, "steht eine alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern und Hartz-IV-Bezug vor einem echten Problem", so Donn. Sie wies auch darauf hin, dass zwei Drittel derer, die die Kartei der Not unterstützt, Kinder oder Familien mit Kindern sind.
Die älteren Menschen in den Blick nahm Eckehard Rasehorn, Geschäftsführer der AWO. Er sprach davon, wie bedrückend es sein könne, wenn Senioren in ihrer "Lebensbilanz" zum Eindruck kommen, "es zu nichts gebracht zu haben". Rasehorn plädierte dafür, dass sich Senioren, "denen es wichtig ist, zu arbeiten, auch ein gewisses Zubrot zu ihrer Rente verdienen können". (gek)